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Respekt auf Deutsch

In Litvínov haben Gangster das Sagen

Siebzehn bzw. achtzehn Jahre - so lautete am ersten Mittwoch im September das Urteil des Prager Obergerichts für zwei Männer, die vor der Calypso-Bar in Litvínov zwei Bodyguards eines örtlichen Unternehmers erschossen hatten.

Siebzehn bzw. achtzehn Jahre - so lautete am ersten Mittwoch im September das Urteil des Prager Obergerichts für zwei Männer, die vor der Calypso-Bar in Litvínov zwei Bodyguards eines örtlichen Unternehmers erschossen hatten. „Das war eine Hinrichtung aus allernächster Nähe,“ so bezeichnete Richter Jiří Lněnička die Tat der beiden in einer dramatischen Erklärung, die durch alle Tageszeitungen ging. Zugleich konzedierte der Richter aber, daß die Erschossenen den mörderischen Konflikt selbst provoziert hatten - durch einen gewalttätigen Übergriff in den nächtlichen Straßen der Stadt. „Meine Mandanten handelten unter Druck und in der Furcht vor Leuten, die die Stadt gerne unter ihre Kontrolle bringen und ihre eigenen Spielregeln durchsetzen würden,“ verteidigte Rechtsanwalt Richard Třeštík die Angeklagten. Ein Lokaltermin bestätigt dieses schockierende Gerücht: mitten in Tschechien gibt es tatsächlich eine Stadt, in der ein Schlägertrupp versucht, eigene Gesetze einzuführen, während die Polizei unerklärlicherweise gleichgültig bleibt und das Rathaus wegsieht. Die ungekrönten Herren der Stadt jagen in Autos durch die Fußgängerzone, verprügeln Leute einfach so, der Einschüchterung wegen, und überfallen Restaurants, um von den Gastwirten Schutzgeld zu erpressen. Vor einiger Zeit haben sie bei einem ihrer Streifzüge sogar den bekannten Sänger Martin Maxa angeschossen. Vor der allgegenwärtigen Angst haben auch die örtlichen Medien resigniert, die zu den Problemen schweigen. „Sie haben gut reden,“ erklärt ein Journalist der Tageszeitung Mostecka das Schweigen. „Aber wenn Sie hier wohnen würden und gerne am Leben blieben, dann würden Sie auch die Augen schließen und weder über dieses Thema schreiben noch die Nase reinstecken.“

Dem muß hinzugefügt werden, daß der Chef der hiesigen Kreispolizei Václav Jakubík heißt, der Mann, der kürzlich mangels Vertrauenswürdigkeit den Posten des stellvertretenden Polizeipräsidenten hat niederlegen müssen.

Schalt das Ding aus

Es ist Mittwoch vorabends; in der Bar „Flora“ an der Ecke des Mirove namesti in Litvínov herrscht gähnende Leere. „Nein, der Besitzer ist nicht hier. Wann er kommt? Weiß ich nicht, vielleicht in einer Stunde oder so,“ sagt uns die dunkelhaarige Bedienung, die kurz darauf jemanden anruft. Wir kommen gerade ein paar Meter weit, da rollt von der anderen Seite des Platzes, quer durch die Fußgängerzone und trotz des Zufahrtsverbots, ein silberner Mercedes mit dunklen Scheiben auf uns zu. Vor der Bar steigt ein Zweimeter-Bodybuilder in weißem T-Shirt mit goldenem Halskettchen aus. „Nur die Ruhe, das sind bloß irgendwelche Journalisten,“ sagt er in sein Handy. Das ist der Auftritt von Martin Macháček (35), Eigentümer der Flora-Bar und einer Reihe weiterer Etablissements in Litvínov. Seine Männer waren es, die damals bei der Schießerei vor dem Calypso umkamen. Viel will er dazu nicht erzählen, und als er das Diktafon sieht, ist Schluß mit lustig. „Mach das Ding aus, oder ich geh Dir gleich an die Eier,“ warnt er uns.

„Na und? Die wollten halt den starken Mann raushängen und haben verschiedene Bars aufgemischt, damit der Eigentümer kapiert, daß es ans Zahlen geht,“ meint Macháček an die Adresse der Schützen, die seine Männer ausgeschaltet haben. Zwar hat seine Schutztruppe als erste angegriffen und die fliehenden Männer durch das nächtliche Litvínov verfolgt, aber das sei doch nur passiert, um die örtlichen Betriebe vor ihnen zu schützen. „Bei uns gehts heiß her, was? Weißt Du denn nicht, was Sache ist? Krass, das kennt Ihr in Prag nicht?“ lacht Macháček.

„Das ist eine organisierte Armee, ich hab alles auf Kamera. Zwei, drei gehen voraus und gehen unauffällig alle Räume durch, ob nicht vielleicht die Polizei da ist. Dann wird telefoniert und glattgeschorene Gorillas kommen, suchen sich zufällig irgendeinen Gast aus und machen den fertig,“ beschreibt Martin Maxa, der bekannte Sänger und Eigentümer des Pionýr, eines von Studenten frequentierten Klubs, das Leben in Litvínov. Als einziger ist er bereit, unter seinem Namen auszusagen - und er ist auch die einzige Ausnahme, die den Gaunern nicht nur Schutzgeldzahlungen verweigert, sondern sich ihnen sogar in den Weg stellt. Allerdings unterscheidet sich seine Geschichte von der Version Macháček in einem pikanten Detail;: die Schläger, die die Stadt terrorisieren, stehen nicht unter der Kontrolle der Mörder vom Calypso, sondern unter der Kontrolle des bereits erwähnten Macháček.

Hallo, sind Sie ein Zeuge?

Zu Beginn erstattete Maxa wegen der Vorfälle Anzeige auf der Polizei von Litvínov, der er sogar Aufnahmen des Kameraüberwachungssystems anbot. „Dann habe ich aber festgestellt, daß ich gleich direkt bei den Halunken hätte vorsprechen können. Passiert ist gar nichts, die müssen schön über mich gelacht haben. Daraufhin habe ich mich an die Polizei in Most und in Prag gewandt,“ sagt der Sänger, nach dessen Worten sich die Situation nur geringfügig gebessert hat - vor seinem Betrieb ist jetzt ein bißchen häufiger eine Polizeistreife zu sehen. „Es ist demoralisierend, wenn diese Schweine jemanden zum Krüppel machen und nichts passiert.“

Einen ähnlichen Angriff hat er am eigenen Leib erlebt - und um ein Haar nicht überlebt. Letzten August attackierte einer von Macháčeks Gorillas einen 24 Jahre jungen Mann brutal auf der Straße. Mehrere Dutzend Leute waren Zeugen des Vorfalls, darunter auch Polizeibeamte. „Der schlug auf seinen Kopf ein, er war schon ganz blutüberströmt. Alle haben nur geguckt und sich gefürchtet, da bin ich ihm zu Hilfe gekommen,“ erinnert sich Maxa. Der Gangster zog jedoch seine Pistole, und der Schuß, den er im Handgemenge abfeuerte, traf den Sänger in den Kopf - die Kugel wurde zum Glück vom Schädel abgelenkt und hat eine bis heute sichtbare Narbe mit acht Stichen hinterlassen.

Auf offener Straße auf andere schießen, das ist dann schon eine ernste Angelegenheit. Darüber hinaus meldeten sich bei der Polizei ungefähr zehn Zeugen. Alles sah also danach aus, daß die Ermittlung eine blitzschnelle Angelegenheit werden würde. Aber dann gingen merkwürdige Dinge vor sich. Schon ein paar Stunden, nachdem die Zeugen wegen ihrer Aussage vorgesprochen hatten, verfügte die Bande von Litvínov über deren Namen, Adressen, Handynummern - die mit Sicherheit aus polizeilichen Quellen stammten. „Kurz nach meiner Aussage hatte ich einen Anruf,“ erinnert sich Martin Láter, der Leiter des Kulturbetriebs „Loučky“. „Eine Stimme meinte: Misch dich da nicht ein, oder dir und deinen Angehörigen passiert was ganz schlimmes.“ Ein Teil der Zeugen zog tatsächlich die Aussage zurück, andere entschlossen sich, unter falschem Namen auszusagen - und fahren seitdem in Mietwagen in die Kreisstadt zum Verhör. Láter selbst, der seine Aussage nicht zurückzog und weiterhin unter eigenem Namen als Zeuge auftritt, durfte sich davon überzeugen, daß es sich nicht um leere Drohungen handelt: dieses Jahr im Mai wurde er überfallen und landete nach mehreren Schlägen mit einem schweren Vorschlaghammer im Krankenhaus, wo er zwischen Leben und Tod schwebte. Der Angreifer war laut Zeugen ein weiteres Mitglied in Macháčeks Bande. In diesem Fall waren die Zeugen schon vorsichtiger: alle sagen nur unter Geheimhaltung aus. Freilich betrifft das üble Treiben in Litvínov nicht nur das Nachtleben. Die Gauner, die sich ihrer Straffreiheit sicher sind, machen sich überall breit. „Sie gehen in die Fußgängerzone einkaufen und werden fast von einem Auto überfahren. Wenn Sie zur Polizei gehen und denen das Kennzeichen mitteilen, heißt es: da müssen Sie sich geirrt haben. Und dann sehen Sie die Polizisten mit dem Fahrer in der Kneipe,“ erzählt ein Einwohner von Litvínov. Konkreter werden will er nicht und seinen Namen preisgeben auch nicht - wie fast alle, die wir angesprochen haben. „Im Unterschied zu Ihnen muß ich hier leben.“

„Wissen Sie, wieviel Leute im Krankenhaus gelandet sind?“ erklärt Maxa das Schweigen und die Angst der Leute. „Auch ich hab Angst vor denen, auch wenn ich gegen sie vorgegangen bin. Und Sie sollten besser auch Angst haben.“

Wer kann denn schon für so was

„Litvínov ist eine sichere Stadt, es gibt nichts, wovor die Leute sich fürchten müßten,“ wiegelt der stellvertretende Polizeichef von Litvínov Karel Babor ab. Wie ist es dann möglich, daß die Unterwelt Namen und Adressen von Zeugen in Erfahrung bringt und diesen droht? Oder daß Polizisten selbst Zeugen solcher Vorfälle sind, aber nicht eingreifen? „Woher wissen Sie denn, daß das stimmt? Sie haben da ganz andere Informationen als ich,“ sagt Babor. Auch das Rathaus sieht kein Problem. „Es scheint mir nicht so, als ob das, was Sie da beschreiben, in Litvínov möglich ist. Aber falls Sie von so etwas wissen, sollten Sie das ganz offen unter die Leute bringen,“ sagt der stellvertretende Bürgermeister von Litvínov Jan Matiko (ČSSD).

Auch der Polizeidirektor von Most, Václav Jakubík, sieht kein besonderes Problem in Litvínov. „Bei allem Respekt vor der menschlichen Intelligenz: das sind nur so ein paar Deppen, die sind gar nicht in der Lage, eine richtige Truppe aufzustellen. Die schaffen es gerade mal, sich zu einer Prügelei zu verabreden,“ sagt Jakubík über Macháčeks Bande. „Richtig ist, daß zu einem gewissen Grad Informationen durchgesickert sind,“ gesteht er dann Probleme bei der Ermittlung in Sachen des Schusses auf Maxa ein, „aber es hat nicht nachgewiesen werden können, wer dafür verantwortlich ist.“

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